Blogparade #Familienalbum: Wie ich meine Kindheit in Ost-Berlin gut ertragen konnte

Eigentlich bin ich nicht wirklich alt, aber meine Tochter zeigt mir immer wieder auf, dass ich es wohl doch bin. Wer mit nur 3 Jahren so die Fotos im Smartphone hin- und herschiebt und Filmchen vor- und zurückspult, der holt einen immer wieder auf den Boden der Tatsachen zurück, dass man selbst in einer ganz anderen Welt aufgewachsen ist. Ich bin ein Kind aus Ostberlin, wie ich schon des öfteren erwähnt habe. Geboren bin ich im Friedrichshain und aufgewachsen im herrlichen Lichtenberg.

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Bereits mit nur einem Jahr ging man spätestens in den Kindergarten, da wurde gar nicht weiter nachgefragt. Ich kann mich noch heute daran erinnern, dass meine Erzieherin Frau Wilz, immer nach Florena-Handcremè roch. Der Geruch ist mir so gegenwärtig, sie muss wohl darin gebadet haben. Und Frau Wilz hatte einen grossen Schreibtisch, an dem sie immer während der Mittagsruhe sass und uns beobachtete. Und wehe, man hatte die Augen auf, dann gab es richtig Ärger. Auch waren wir über 20 Kinder mit nur einer Erzieherin, heute undenkbar.

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An Weihnachten ging man auf den Berliner Weihnachtsmarkt am Alexanderplatz und liess sich Jahr für Jahr mit dem Weihnachtsmann fotografieren. Auch wenn ich Angst hatte und heulte wie ein Schlosshund, das Foto wurde gemacht und ins Album geklebt.

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Und als Schulkinder haben wir auf dem Weihnachtsmarkt in der „Bastelstrasse“ für unsere Eltern und Grosseltern Geschenke selber gebastelt. Schlüsselbrettchen aus Holz, Untersetzer aus gebrannter Knete, Ohrringe aus bemalter Emaille. Das kostete 1 Mark und man hatte Geschenke für die ganze Familie, auch wenn sie nicht immer schön waren, sie kamen aber vom Herzen.

Im Sommer fuhren wir mit dem Auto nach Ungarn oder an die Ostsee. Irgendwie schien auch immer die Sonne, zumindest habe ich das so in Erinnerung. Und Jahr für Jahr wurden meine Schwester und ich von unserem lieben Papi eingebuddelt.

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Einige Male waren wir auch im Winterurlaub in Oberhof und wir wurden zum Langlauf verdonnert. Schnee konnte ich noch nie so richtig leiden, das hält auch bis heute an. Man beachte mein Posing an unserem verdreckten Lada.

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Ach, und nicht zu vergessen ist das traditionelle Löwenbaby-Foto aus dem Berliner Tierpark, was wirklich jedes Ost-Berliner Kind in seinem Album hatte. Das war ein aufregender Tag und ich weiss noch, dass sich die kleinen Krallen des Löwen ganz schön doll in meinen Schenkel gebohrt haben.

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Ja, und dann die Schulzeit. Jeden Mittwoch war Pioniernachmittag und wir mussten mit dem Halstuch in die Schule kommen. Wer es nicht um den Hals trug, bekam von der Lehrerin einen Eintrag für die Eltern ins Hausaufgabenheft. An den Wochenenden gingen wir auf Feten und tanzten zu Musik, die wir aus dem Westradio auf Kassetten aufgenommen hatten. Wenn der Kassettenrecorder dann mal streikte, wurde mit dem Bleistift vor- und zurückgespult. Das hat super funktioniert.

Unsere Klamotten und unser Styling waren eine Mischung aus getragenen Teilen aus dem Westpaket von den Tanten von drüben, ein bisschen aus der Jugendmodeabteilung des Konsument Warenhauses und ab und zu mal ein Teil aus dem Exquisit. Meine Mama, gelernte Schneiderin, hat für uns auch viel aus Bettlaken genäht. Blusen, Röcke, Hosen in pastell. Gar nicht so schlecht. Und im Haar trugen wir Action-Haarspray, tönten mit Londa und tuschten unsere Wimpern mit klumpiger Wimperntusche von sküss. Und…es hat uns allen nicht geschadet 🙂

Dieser Text ist ein Beitrag zur Blogparade von Frau Mutter, die unter #Familienalbum ihre Leser dazu animiert hat, in ihrer Vergangenheit zu stöbern. Danke für die tolle Idee und für die Anregung zu meiner persönlichen Zeitreise.

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